„Goldener Nagel“ wird am 19. September in Salzgitter eingeschlagen
Ein Oscar der Geologie für den Steinbruch Salder
Salzgitter-Salder erlangt für Geologen weltweit große Bedeutung, denn im Steinbruch Salder haben Forscher nach mehr als 20 Jahren Suche das gefunden, was nirgendwo anders auf der Welt so gut den Übergang von einem geologischen Zeitabschnitt in den nächsten zeigt: Eine Steinbruchwand, die in einzigartiger Weise die erdgeschichtlichen Änderungen an der Grenze der beiden Kreidezeitalter Turon und Coniac abbildet. Der ehemalige Kalksteinbruch gilt damit als weltweiter Referenzpunkt für die Zeitgrenze vor 89,4 Millionen Jahren – einer Epoche, in der noch Dinosaurier lebten. Das hat die International Union of Geological Sciences bekannt gegeben, die dem Schichtenprofil den bedeutsamen Titel „Global Stratotype Section and Point“ (GSSP) verliehen hat.
Ein internationales Team von Geowissenschaftlerinnen und Geowissenschaftlern um Prof. Silke Voigt von der Goethe-Universität Frankfurt, Prof. Ireneusz Walaszczyk von der Univer-sität Warschau und mit Unterstützung von Dr. André Bornemann vom Landesamt für Berg-bau, Energie und Geologie (LBEG) haben 40 Meter der geologischen Schichtenfolge im ehemaligen Kalksteinbruch am Hasselberg eingehend untersucht. Dabei stellten die Forscherinnen und Forscher fest, dass nur hier der Übergang vom Turon zum Coniac lückenlos ist und daher eine perfekte Gesteinsabfolge darstellt, um Geowissenschaftlerinnen und Geowissenschaftlern aus aller Welt zukünftig als Referenz für deren Forschung zu dienen – als „Global Stratotype Section and Point (GSSP)“ oder, im Jargon der Geowissenschaften, als „Goldener Nagel“. Ähnlich wie der internationalen Filmindustrie der Oscar als höchste Auszeichnung dient, wird der „Goldene Nagel“ nur für Referenzpunkte herausragender geo-logischer Bedeutung verliehen. Deutschlandweit findet sich mit dem Wetteldorfer Richtschnitt in der Eifel nur noch ein weiterer „Goldener Nagel“.
Mit dem Coniac treten bestimmte Muschelarten auf, so genannte Inoceramen, die in Salder zahlreich zu finden sind. „In einer bestimmten Schicht findet sich erstmals die Inoceramen-Art Cremnoceramus deformis erectus und markiert damit die Zeitgrenze“, sagt Prof. Silke Voigt. Mit diesem Referenzpunkt können weltweit geologische Schichtenprofile miteinander vergleichen und zeitlich eingeordnet werden.
In einer feierlichen Zeremonie wird die Verleihung des Titels nun offiziell und sichtbar. Am Dienstag, 19. September, um 11.30 Uhr schlagen Mitglieder der „Internationalen Stratigraphischen Kommission“ den „Goldenen Nagel“ in die Felswand des Steinbruch Salder ein, um diese besondere Stelle der Erdgeschichte zu würdigen. Zu dieser Zeremonie werden Wissenschaftler aus sechs Nationen, die beteiligten Forschungseinrichtungen, Vertreter der lokalen Politik und des UNESCO Geoparks Harz – Braunschweiger Land – Ostfalen in Salder erwartet, um dieses bedeutsame Ereignis zu feiern.
„Es ist für uns eine besondere Freude und Ehre, diesen für die Geowissenschaften nun so bedeutenden Aufschluss in unserem Geopark zu haben. Wir werden in Absprache mit dem Grundeigentümer für die Pflege des Geotops sorgen, damit es für wissenschaftliche Forschungen und pädagogische Führungen erhalten bleibt“, betont Henning Zellmer, Geschäftsführer des Geoparks. „Dieser für Niedersachsen einzigartige Punkt zeigt die Bedeutung der klassischen geologischen und stratigraphischen Arbeiten an Universitäten und auch am Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie“, unterstreicht Markus Stöwer, Abteilungsleiter im LBEG.
Weitere Infos:
Im Kalksteinbruch am Hasselberg bei Salder im Nordosten des Salzgitterschen Höhenzuges wurden von 1885 bis 1992 Kalksteine und Mergel für die Zementindustrie und zum Schluss für die Erzaufbereitung abgebaut. Heute befindet sich dort ein bekanntes Biotop und Geotop als Eigentum der Stiftung Naturlandschaft, die vom BUND-Landesverband Niedersachsen eingerichtet wurde. Während die Betreuung des Steinbruchgeländes der Kreisgruppe Salzgitter des BUND übertragen wurde, kümmert sich der UNESCO Geopark Harz – Braunschweiger Land – Ostfalen um den geowissenschaftlichen Part des Steinbruchs. Der Steinbruch ist aus Naturschutzgründen nicht frei zugänglich, aber es werden gelegentlich geführte Wanderungen angeboten.
Im Turon, vor etwa 90 Millionen Jahren, in der jüngeren Kreidezeit, war es tropisch warm auf der Erde: Die eisfreien Pole sorgten für einen hohen Meeresspiegel, Mitteleuropa bestand aus einem flachen Meer mit einer Schar von Inseln. Im Meer entwickelten Ammoniten eine ungeheure Formenvielfalt, an Land herrschten die Dinosaurier. Die ersten Blütenpflanzen begannen, Schachtelhalmen und Farnen Konkur-renz zu machen. Vor 89,4 Millionen Jahren fing das Klima an, sich leicht abzukühlen und der Meeresspiegel von seinem Höchststand etwas zu sinken: Ein neuer erdgeschichtlicher Abschnitt, das Zeitalter Coniac, löste das Zeitalter Turon ab.
©LBEG, Bruns, Völlmar
Bild: Dr. André Bornemann (li.) und Dr. Roberto Pierau vom LBEG begutachten bereits im November 2021 die geologische Formation, die nun mit dem Goldenen Nagel aufgewertet wird. Bildrechte: LBEG/Eike Bruns